Zu Silvester Prombergers
abstrakten Skulpturen vor dem Bergwerkmuseum in Prettau.
Das Schaf in der
Kiste
Wenn Kunst den musealen, kirchlichen
oder privaten Rahmen verlässt, dann hat in der Regel nur
das Konventionelle eine Chance, vor der Volkskritik verschont
zu bleiben: der schöne Dorfbrunnen, das nette, möglichst
realistische Relief, das würdevolle Denkmal. Das Ungewohnte
hingegen produziert oft große Mengen Gefühl. Dabei
tauchen zwei Argumente unvermeidlich auf. Erstens: Das kann meine
Tochter/mein Sohn auch. Zweitens: Und für solchen ,,Mist"
so viel Geld. Die Stärke der ausgelösten Emotionen richtet
sich erfahrungsgemäß nach dieser Formel: je größer,
je abstrakter, je teurer desto mehr Anstoß.
Die herumtummelnden Kinder auf dem öffentlichen Platz vor
dem Bergwerkmuseum in Prettau finden an den abstrakten Formen
Prombergers offenkundig Gefallen und scheuen keine ,,Annäherung".
Für das (erwachsene) Besucherpublikum hingegen bleiben die
starren schwarzen Gebilde weitgehend regungsunfähig, ja teilweise
werden sie als ,,Kunst unter freiem Himmel" erst gar nicht
wahrgenommen. Bei den ausgestellten Objekten handelt es sich um
mit der Kettensäge grob zugeschnittene und teilweise handbehauene
Holzquader, die in verschiedenen Kombinationen zu eigenständigen
Figuren zusammengefügt sind. Auf das, was der Bildhauer damit
sagen will, findet der Betrachter keinen Hinweis. Der Künstler
überlässt alles dem Schauenden, seiner Fantasie und
seiner Bereitwilligkeit.
Was in den Dingen steckt.
Wer kennt nicht den kleinen Prinzen in Saint-Exuperys Geschichte.
Dieser wollte, dass der Autor ihm ein Schaf zeichne. Nach vielen
naturgetreuen Versuchen, die dem kleinen Kerl allesamt missfielen,
malte der schon entnervte Zeichner eine Kiste und sagte knurrig
dazu: Das Schaf, das du willst, steckt darin. Nun endlich hatte
der Autor den kleinen Prinzen glücklich und zufrieden gemacht.
Ähnlich ergeht es dem Betrachter vor Prombergers plumpen
Holzklötzen: Silvester Promberger ist ein Suchender nach
dem Wesentlichen, das für die Augen unsichtbar ist. ,,Ich
will mehr, als nur die äußere Hülle darstellen.
Mich interessiert die den Dingen innewohnende Kraft."
Promberger beobachtet genau das Sichtbare, weil er dem Unsichtbaren
auf der Spur ist. Ihn beschäftigt die Frage nach den Wurzeln
des Menschseins, er möchte Bescheid wissen über den
Zustand der Welt. Und nach langen Überlegungen formuliert
er seine gedanklichen Ergebnisse zu Skulpturen. Diese sprechen
eine reduzierte, ins Zeichenhafte gehende Formensprache. Ihre
Kompositionen, deren einzelne Formen vereinfacht sind und die
immer in einer Relation zueinander stehen, wirken verdichtet und
geschlossen. Es sind Gefüge von hoher Abstraktion, die sensible
Naturbetrachtung und Tiefe der Gedanken offenbaren.
Der Weg Prombergers bis zu dieser bildhauerischen Äußerung
ist ein langwieriger. Denn eigentlich steht im Zentrum seiner
künstlerischen Ausbildung die Figur.
Silvester Promberger wurde 1966 in Rina/Welschellen (Enneberg)
geboren, besuchte die Staatliche Kunstlehranstalt in St. Ulrich/Gröden
und absolvierte anschließend die Akademie der Bildenden
Künste in Wien bei Professor Johannis Avramidis und Professor
Michelangelo Pistoletto.
Ein Zurückgezogener.
Seit sechs Jahren lebt der Bildhauer mit seiner Frau und den beiden
Kindern auf einem Bauernhof im Bergdorf Antermëia/Untermoj
(Gemeinde San Martin de Tor/St. Martin in Thurn), wo er in der
rauen Berglandschaft und in großer Abgeschiedenheit seinen
Platz gefunden hat. Promberger arbeitet vorwiegend mit Holz. Seine
Kunstwerke offenbaren das Bestreben des Künstlers, Zeitbild
und Selbstbild zu verbinden und sind Ausdruck der Selbstbefragung
und Selbstaussage. Hier, in und mit der Realität denkend,
schärft er seinen Blick, seine ,,Sinne zum Staunen und seinen
Sinn für Tiefe". Hier will er Neues anpacken, das Dialog
hafte seines Arbeitsprozessesvorantreiben, denn die Erkenntnis,
dass er ,,nicht nur Dinge formt, sondern dabei über sich
selbst etwas erfährt, was wichtig für ihn ist",
bringt ihn zu immer neuen Ideen, zu Kunstwerken, die den Betrachter
mit dem Rätsel des Ungesehenen zurücklassen.
Giovanni Mischì
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